Der Kalkkreislauf – ein Naturwunder

Es gibt chemische Prozesse, die sind einfach genial. Der Kalkkreislauf ist einer davon – simpel und in sich geschlossen. Kein Müll, keine Rückstände, kein Raubbau. Nur ein natürlicher Stoff, der sich verwandelt und dabei genau das tut, was wir von einem guten Baustoff erwarten: schützen, verbinden, erhalten.

Alles beginnt mit Kalkstein – ein weit verbreitetes Sedimentgestein, das in Steinbrüchen gewonnen wird. Dieser Rohstoff besteht überwiegend aus Calciumcarbonat und hat sich über Millionen von Jahren durch die Ablagerung von Schalen und Skeletten mariner Lebewesen gebildet.

Durch die Schritte der Rohstoffgewinnung, dem Brennen des Kalkes, Mischung von Kalkputzen sowie der langfristigen Karbonatisierung des Putzes handelt es sich um einen geschlossenen Kreislauf an dessen Ende Kalk wieder in seiner Ursprungsform vorliegt. Dies ermöglicht eine nachhaltige Nutzung dieses Rohstoffs.

Herstellung von Kalk- und Naturkalkputzen

Im ersten Schritt wird der Kalkstein meist Übertage im Steinbruch durch Sprengung aus den Schichten gelöst und in einem Brecher vorgebrochen. Über Bandanlagen gelangt der Stein zu einer weiteren Siebanlage bzw. dem Nachbrecher welcher das Gestein in Korngrößen von ca. 150mm  Durchmesser für Ofensteine zerteilt.

Damit aus dem Kalkstein ein verwendbarer Baustoff entsteht, wird dieser in Schacht- oder Ringöfen bei 850°-950° C zu Kalk gebrannt wird. Während des Brennens wird das im Kalkstein gebundene Kohlendioxid freigesetzt, wodurch Branntkalk (Calciumoxid, CaO) entsteht. Dieser chemische Prozess wird als Kalzination bezeichnet:

Das freiwerdende Kohlendioxid gelangt in die Atmosphäre, während der feste Branntkalk als Endprodukt dieses Schrittes übrigbleibt. Je nach Anwendung kann der Branntkalk als Stückkalk oder in gemahlener Form weiterverarbeitet werden.

Der nächste Schritt ist das Löschen des Branntkalks. Hierbei wird dem Branntkalk Wasser zugeführt, wodurch eine exotherme Reaktion entsteht. Das bedeutet, dass bei dieser chemischen Umsetzung Wärme freigesetzt wird. Der Branntkalk reagiert mit dem Wasser zu Kalkhydrat (Calciumhydroxid, Ca(OH)₂):

Während des Löschprozesses entsteht eine feine, weiße Masse, die als gelöschter Kalk (durch Teillöschen) oder Sumpfkalk (Überlöschen) bekannt ist. Je nach Wassermenge und Produkt kann Kalkhydrat in Pulverform oder als Kalkpaste vorliegen. Der gelöschte Kalk ist nun bereit für die Verarbeitung zu Kalkputz.

Kalkputz wird hergestellt, indem Kalk mit Sanden, Steinmehlen, Wasser und weiteren Zuschlägen zu einem Putz vermengt wird. Sand dient dabei als Zuschlagstoff, der die Funktionalität des Putzes während des Verarbeitens bestimmt und seine Struktur beeinflusst. In manchen Fällen werden auch organische Stoffe wie Leinöl oder Cellulose hinzugefügt, um bestimmte Eigenschaften wie Elastizität oder Haftung zu verbessern.

Nachdem Aufbringen des Kalkputzes nimmt dieser im Zuge der Erhärtung konstant CO2  aus der Umgebungsluft. Hierbei wird das Kalkhydrat wieder in Calciumcarbonat umgewandelt, wodurch der Kalk mineralisch härtet und wieder seine ursprüngliche Form, Kalkstein, erreicht. Somit schließt sich der Kalkkreislauf.

Der Kalkkreislauf ist kein einmaliges Ereignis, sondern ein Prinzip der Wiederverbindung. Die chemische Reaktion bringt den Stoff genau dorthin zurück, wo er herkam – ohne Abfall, ohne Zerfall. Ein Naturkreislauf, den wir nutzen können, ohne der Natur etwas wegzunehmen. Vorausgesetzt, wir lassen ihn in Ruhe – und vermischen ihn nicht mit Zement, Kunststoffen oder anderen Fremdstoffen, die diesen Kreislauf stören oder sogar unterbrechen.

Naturkalk funktioniert nur deshalb so zuverlässig, weil er in diesen Kreislauf eingebettet ist. Er lebt von der Verbindung zur Luft, zur Zeit – und zu unserer Entscheidung, ihn unverfälscht zu lassen. Der Kalkkreislauf ist mehr als eine chemische Reaktion. Er ist ein Versprechen der Natur: Wenn du mich lässt, bleibe ich im Gleichgewicht.